Gutes Innovationsmanagement: Wie man die Gegenwart managt und gleichzeitig die Zukunft gestaltet

Ob globaler Konzern, oder mittelständisches Unternehmen – meist ist die unternehmerische Komfortzone das Hindernis auf dem Weg in die Zukunft.

Nehmen wir Martin, Vorstand bei einem internationalen Hersteller von Systemen für die Automobilindustrie. Er ist verantwortlich dafür, dass das Unternehmen wächst – heute und in Zukunft. 

Über 18 Jahre hinweg hat Martin sein Fachwissen stetig ausgebaut und sich erfolgreich hochgearbeitet. Er verstand, wie seine Kunden tickten und sorgte dafür, dass die Produktpalette nicht nur zur demografischen Entwicklung, sondern auch deren individuellen Bedürfnissen passte. Lieferprozesse und beteiligte Partner steuerte er effizient, Vertriebs- und Servicekanäle liefen reibungslos. Schritt für Schritt wurden digitale Technologien und Dienstleistungen integriert, um die Kunden zufriedenzustellen und den Wettbewerb auf Distanz zu halten. Die Bücher waren voll und die Produktionsstätten liefen. 

Doch plötzlich stehen im Unternehmen alle Ampeln auf Rot. Budgetreduzierungen, Einstellungsstopp – und in der Vorstandsrunde redet man von Werksschließungen. Martin soll nun in kürzester Zeit mit neuen, innovativen Geschäftsfeldern drohende Gewinnlücken schließen. 

Was war passiert? 

Seit mehr als einem Jahrzehnt gab es Signale, dass sich die Märkte erheblich verändern. Verkehrschaos, Klimakrise, Treibstoff- Abhängigkeiten, Umweltverschmutzung, Bewusstseinsveränderung bei Stadtbewohnern und Generation X waren die entsprechenden Schlagworte. 

Martin hatte viele Keynotes zu diesen Veränderungen gehalten. Doch Umsatz und Profit wuchsen weiter, die gut geölte „Hochleistungsmaschine“ lief und lief. Er wusste, dass die Dinge im Wandel waren, aber es war nicht abzusehen, wie diese Veränderungen aussehen und wann sie eintreten würden. 

So konzentrierte sich Martin einfach darauf, die im Konzern gesetzten Zahlen zu erreichen. Bestehende Kompetenzen wurden weiter optimiert und Risiken soweit wie möglich reduziert. Es gelang ihm, alle Unsicherheiten aus dem bestehenden System zu nehmen und neue, unbekannte Abenteuer zu vermeiden. Das fühlte sich richtig und gut für ihn an. Er konnte innerhalb seiner Fachexpertise handeln und dabei erprobte Methoden anwenden, um verlässliche Ergebnisse zu erzielen. 

Er war dabei in guter Gesellschaft. Seine Kollegen aus anderen Bereichen und in anderen Unternehmen folgten der gleichen vorherrschenden Logik – alles noch ein bisschen effizienter zu gestalten. Das hatte ja in der Vergangenheit auch immer bestens funktioniert.

Doch nun war es damit vorbei: Auch Martins Konzern war von der schwachen Branchenkonjunktur erfasst worden und musste seine Prognosen für das laufende Jahr nach unten korrigieren. Nun galt es plötzlich schnell zu handeln und gegenzusteuern. Doch was hatte Martin denn eigentlich davon abgehalten, sich schon früher damit zu beschäftigen, wie dem Wandel zu begegnen sei? 

Er hätte beispielsweise bisherige Nichtkunden ins Visier nehmen können. Oder sich mit nicht-traditionellen Wettbewerbern und neu aufkommenden Technologien beschäftigen können. Dabei wären sicherlich visionäre Ideen für die Zukunft entstanden – doch diese wären riskant, distanziert und abstrakt gewesen. 

Eine Weiterverfolgung dieser visionären Ideen hätte zudem völlig neue Kompetenzen bei ihm selbst und seinem Team erfordert. Martin hätte eine Vielzahl von Annahmen testen und Experimente durchführen müssen, es wäre ein fortwährendes Lernen und Ausprobieren geworden. Dabei hätten sie sicherlich auch Fehler gemacht und wären sich öfters recht dumm vorgekommen. Fehler zu machen war an sich schon unangenehm, aber schlimmer noch: Seine Leistung und die seines Teams wären im Konzern, zumindest unbewusst, mit den Parametern der „vorherrschenden Logik“ gemessen worden, und da konnte er nur verlieren. Von dieser Warte aus betrachtet, ist Martin gut beraten, bei dem zu bleiben, was er seit Jahren am besten kann: den „Hochleistungsmotor“ auf Konzern-Mainstream-Weise weiter bedienen und verbessern, auch wenn dessen Tage gezählt sind. 

Was ist also mit der Zukunft? Nun, sie wird dann wohl nicht von Martin und seinem Team gestaltet. Die “jungen Wilden” werden das Ruder übernehmen – innovativ denkende Köpfe aus Boston, San Francisco, China und Korea, und Startups an Standorten, wo es wenig zu verlieren und viel zu gewinnen gibt. Wo es keine vorherrschende Logik gibt, die in guter Gewohnheit das Altbewährte belohnt. 

Und Martin? Der ist so lange in Sicherheit, bis diese jungen Wilden das Spiel endgültig verändern. Wenn er Glück hat, ist er selbst dann kurz vor dem Ruhestand und kann das Spielfeld einfach verlassen. Zurück bleiben sein Unternehmen, seine Mitarbeiter, Kunden und Zulieferer. Sie alle hatten sich darauf verlassen, dass er die richtigen Entscheidungen trifft.

Doch was wäre eigentlich, wenn Martin neue Geschäftsfelder in Angriff nehmen würde, solange die Hochleistungsmaschine noch läuft? Was wäre, wenn er sich von seinem großen Erfahrungsschatz und Know-how lösen und nur sorgfältig ausgewählte Wissensbereiche in Zukunftsfelder mitnehmen würde?

  • Was wäre, wenn er doppelt so schnell auf Kundenbedürfnisse reagieren würde?
  • Was wäre, wenn er die Veränderungen auf dem Markt als schwache Signale ernst nehmen und Veränderungen frühzeitig einplanen würde? Auch wenn er noch nicht weiß, wie diese aussehen werden.
  • Was wäre, wenn er Dienstleistungen und Produkte konzipierte, die den tatsächlichen Kundenbedürfnissen besser entsprächen, als diese selbst es erwarten?
  • Was wäre, wenn sein Unternehmen zukunftsweisende Innovations- und Arbeitsprozesse als strategische Kernkompetenz betrachten würde?
  • Was wäre, wenn er Projektvisionen kreierte, für die alle Projektmitglieder kämpfen würden?

Die meisten guten Geschichten haben ein Happy End: Es ist gar nicht so schwer für Martin, zum Helden einer solchen Geschäftstransformation zu werden! 

Gemeinsam mit seinem Team muss er: 

  1. die schwachen Signale sogenannter nichtlinearer Verschiebungen beachten. Dazu zählen etwa Hinweise auf Kunden- oder Technologie-Verschiebungen, nicht-traditionelle Wettbewerber, neue Vertriebskanäle oder regulatorische Änderungen.
  2. seine strategische Absicht definieren, bevor die Reise beginnt. Damit ist weder ein Leitbild noch ein Mission Statement gemeint – sondern ein unrealistisches Ziel mit einer ambitionierten Erfolgswahrscheinlichkeit. Wie zum Beispiel John F. Kennedy, der ankündigte: „Wir werden noch in diesem Jahrzehnt einen Mann auf den Mond bringen und ihn auch wieder zurückholen.“ Oder Bill Gates, der sagte: „Wir werden einen PC auf jeden Schreibtisch und in jedes Haus stellen.“ Beide Aussagen klangen seinerzeit total verrückt.
  3. detailliertes Kundenverständnis gewinnen, um einen signifikanten Kundennutzen zu erzielen. Um dies zu erreichen, sind Methoden wie Customer Discovery, der Value Proposition Canvas, die Job-to-be-Done-Theorie und vieles mehr sehr hilfreich.
  4. die „vorherrschende Logik“ selektiv vergessen. Dies könnte die schwierigste Aufgabe von allen sein! Viele Dinge, die in der Vergangenheit zum Unternehmenserfolg beigetragen haben, müssen dazu aufgegeben werden. Martin und sein Team sollten Methoden anwenden, mit denen sie eingefahrene Bahnen verlassen können, etwa Design Thinking, Problem Decomposition, Reverse Innovation, Systematic Inventive Thinking oder SCAMPER und damit die vorherrschende Logik umgehen.
  5. sicherstellen, dass die Hochleistungsmaschine läuft und nicht vom Erreichen ihrer anspruchsvollen Leistungsziele abgelenkt wird. 
  6. einige wenige Hochleistungsmaschinen-Vorzüge auswählen und in die Zukunft mitnehmen. Das verschafft Martin einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber jedem Neuling und erhöht die Erfolgschancen des neuen Unterfangens massiv. Das Ausleihen dieser knappen Ressource vom Hochleistungsmotor wird allerdings unweigerlich zu Konflikten führen, die Martin rechtzeitig und gut managen muss. 
  7. groß denken und träumen, aber klein anfangen, damit er klein scheitern kann – auch und gerade in einem etablierten Unternehmen und Konzern.
  8. groß denken und träumen, aber klein anfangen, damit er klein scheitern kann – auch und gerade in einem etablierten Unternehmen und Konzern.
  9. schnell skalieren und regelmässig vorzeigbare Ergebnisse liefern: auch wenn klar ist, dass Martin keinen Sprint läuft, sondern einen Marathon, sollte er jeden Kilometer bewußt angehen und Zwischenergebnisse abliefern.

Martin gibt es in vielen Unternehmen. Die meisten von ihnen gehen den „sicheren Weg“, der am Ende fatale Folgen für das Unternehmen, die Mitarbeiter und damit auch für Ihn selbst hat. 

Sie wollen andere Wege gehen? Ist es Zeit für ein Programm, das ihren Hochleistungsmotor ungestört am Laufen hält und gleichzeitig die Zukunft erfolgreich gestaltet?

Gruß,

Ute